Ungewöhnliche Reifeorte

Whisky, Fakten, Spaß

Ungewöhnliche Reifeorte

ISS

Was haben die Warehouses der Distilleries in Schottland, das Weltall, ein Schiff und der Meeresboden gemeinsam? Ganz weit gefasst liegt alles in der Milchstraße. Aber da wir hier kein Weltraum-Blog sind, sondern ein Whisky-Blog, muss es näherliegender sein.

Richtig, überall an diesen Orten ist schon Whisky herangereift. In diesem Artikel gehen wir auf etwas ungewöhnlichere Reifeorte ein, die von den Distilleries verwendet werden. Die normalen Warehouses und der Lagerungsprozess selbst werden nicht betrachtet. Es geht mir vor allem um eine Aufarbeitung besonderer Reifeorte. Lehne dich zurück und genieße mit einem Dram in der Hand die außergewöhnlichsten Reifeorte, die ich herausgefunden habe. Falls du noch weitere weißt, teile mir das gerne mit. Das hier wird ein mehrteiliger Eintrag, da sich die Brennereien doch einige Verrücktheiten ausdenken und ich deine Lesezeit nicht zu lange gestalten will.

Die ISS

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2011. Dies sind die Abenteuer der Internationalen Raumstation. Dort wurden von Ardbeg Ampullen, gefüllt mit Terpenen aus Ardbeg New Make und Eichenholzstücken, gelagert. Ziel war es herauszufinden, wie die Terpene mit den Eichenholzstücken interagieren und einen Vergleich zur Reifung auf der Erde herzustellen. Im Warehouse No. 3 der Distillery lagerten Vergleichsproben. Am 30.10.2011 wurden die Proben von Kasachstan aus zur ISS geschossen und erreichten diese am 02.11.2011. Die Astronauten waren wahrscheinlich eher enttäuscht, dass sie keinen richtigen Whisky zugeschickt bekommen haben. Und noch enttäuschter, dass sie nicht trinken durften.

Im Januar war es dann soweit und das Experiment startete. Auf der Erde und der ISS wurde gleichzeitig die Trennwand zwischen dem Destillat und den Eichenholzpartikeln zerstört. So konnte sichergestellt werden, dass der chemische Prozess zur gleichen Zeit begann.

Am 12.09.2014 war das Experiment beendet und die Ampullen erreichten wieder die Erde. Wir haben hier also keinen offiziellen Whisky, das Destillat ist nicht lang genug gereift. Sofort begannen die Untersuchungen unter anderem von Dr. Bill Lumsden. Das ist der Master Blender von Glenmorangie und steckt auch hinter den Kreationen von Ardbeg. Er kennt sich sehr gut mit verschiedenen Fässern und deren Einwirkung auf Whisky aus.

Scheinbar war die Probe auf der Erde ein typischer Ardbeg. In der Nase holzig, süßer Rauch, Rosinen, Toffee-Melasse, Vanille und gebrannte Orangen. Am Gaumen war er holzig mit Aromen von Balsamico, entfernter Fruchtigkeit, aseptische Noten und Holzkohle. Der Nachgeschmack lang mit sanftem Rauch, Teer und cremigem Buttertoffee.

Auf der ISS habe sich im Geruch antiseptischer Rauch, Gummi, geräucherter Fisch und eine ungewöhnliche an Veilchen oder Johannisbeeren erinnernde Duftnoten gebildet. Dazu kamen mächtige holzige Töne und fleischartige Aromen. Im Gaumen ist er sehr konzentriert mit geräucherten Früchten, erdiger Torfrauch, Pfefferminze, Anis, Zimt, Räucherspeck und geräucherter Schinken. Der Abgang intensiv und lang mit einem Hauch Holz, antiseptischen Pastillen und Gummirauch.

Mich persönlich spricht die Reifung auf der ISS eher an, da sie spannender klingt. Sie hat, wie es sich liest, mehr Aromen, als die erdgelagerte Variante.

Scheinbar war es auch so, dass die Werte einer für die Aromenbildung verantwortlichen Phenolverbindung große Unterschiede aufwiesen. Im Weltall war diese Verbindung deutlich weniger ausgeprägt, als auf Islay. Das lässt für die Wissenschaftler den Schluss zu, dass die Schwerelosigkeit die Freisetzung der Phenolverbindungen hemmt. Was ich nun nicht verstehe und herausfinden konnte ist, warum dann im Weltall laut Beschreibung mehr Aromen im Spiel waren, als auf der Erde. Das ist für mich etwas mysteriös.

Nun hat Ardbeg also Grundlagenforschung betrieben für eine entfernte Zukunft. Wenn die Erde irgendwann nicht mehr bewohnbar ist und die Menschheit sich ins All aufmacht, können wir Ardbeg dafür dankbar sein, dass wir es nun endlich wissen. Eine Reifung im Weltall ist möglich und das Ergebnis schmeckt sogar. Wenn das jetzt noch etwas länger reift, ist es sogar Whisky, aber eben kein Scotch mehr. Für Scotch müsste dann wahrscheinlich der Reifeprozess in einem schottischen Raumschiff passieren.

Auf jeden Fall war die Aktion damals eine sehr gelungene Marketingaktion. Ardbeg hat einiges an Nachrichten erhalten.

Übrigens hat Suntory im August 2015 nachgezogen und sechs Proben im Alter von 10, 18 und 21 Jahren ins Weltall geschossen. Aber das war dann doch nicht mehr so nachrichtenträchtig. Das gab es halt schon einmal.

Die Berge

Okay die Highlands sind auch Berge und da wird Whisky gelagert. Was macht das jetzt so außergewöhnlich? Wir sprechen hier jetzt nicht von schottischem Whisky und tatsächlich eher ungewöhnlichen Orten in den Bergen.

Wir begeben uns in die Schweiz, genauer gesagt zum Jungfraujoch. Das liegt ca. 3.466 Meter über dem Meeresspiegel. Hier lagerten im Eispalast bei konstanten minus vier Grad Fässer der Rugen Distillery. Hier war der offizielle Grund auch, dass sie schauen wollten, wie der Whisky sich in dieser Höhe entwickelt. Aufgrund der geringen und konstanten Temperaturen erfolgt die Reifung viel langsamer und die Farbe wird weniger stark angenommen. Dafür gibt es wohl ein feineres Aroma als bei den Vergleichswhiskys. Der Swiss Highland Single Malt „Ice Label“ Edition 2019 ist vier Jahre im Felsenkeller der Rugen Distillery gereift und anschließend sechs Jahre im Eis einer Eisgrotte im Jungfraujoch. Geschmacklich haben wir es hier mit frischen Noten von Pflaumen, Birnen und Rosinen zu tun. Die Nase hat es mit Holunderblüten und Rosenduft zu tun. Die Swiss Mountain Edition gibt es meines Wissens nach jedes Jahr neu. Die Fässer werden also fleißig ausgetauscht.

Die Idee mit einer Reifung unter Null Grad ist an sich schon sehr spannend und ich denke ich muss mal ein Schlückchen des Whiskys probieren. Die Rugen Distillery hat übrigens noch eine andere Idee, auf die ich im Teil 2 des Reifeorte-Blogs eingehen werde.

Nicht mehr ganz so hoch wie in der Schweiz, aber doch verglichen mit Schottland ein alpines Wunder, ist der Stümpfling. Der Berg ist 1.501 Meter hoch und hier lagert die Slyrs Mountain Edition. Die Temperaturen sind auch nicht ganz so konstant wie die im Eis am Jungfraujoch. Im Winter können tatsächlich bis zu -30 Grad erreicht werden. Allerdings erreichen die Temperaturen in der Gegend im Sommer auch schon mal 25 Grad und mehr. Es herrschen also große Temperaturunterschiede. Das macht die Sache mit der Reifung spannend, da das Holz stärker mit dem Destillat im Fass interagiert. Fünf Jahre lang sind die Fässer der ersten Edition dort gereift. Laut Werbetext haben wir hier einen Geruch nach Bourbon Vanille, Karamell und gebrannte Mandeln mit leichter Rauchigkeit. Der Geschmack ist trocken, sehr würzig und intensiv mit leicht pfeffrigen Noten von Mandeln und Nüssen.

Das klingt jetzt für mich nicht so verlockend, sondern durch den Begriff sehr würzig schon eher nach viel Eiche und Holz. Vielleicht haben die Temperaturschwankungen da etwas ausgemacht. Auch diese Mountain Edition wird regelmäßig neu aufgelegt.

Zwischenfazit

Ich finde die Idee verschiedener Reifeorte interessant. Jedoch bin ich überzeugt, dass gerade der Lagerort auf der ISS von Ardbeg aus Werbegründen ausgewählt wurde. Es mag ein witziges Gedankenspiel sein, die Unterschiede der Reifung auf der Erde und im Weltall zu vergleichen, aber der Hauptgrund dafür so viel Geld auszugeben dürfte wohl eher darin liegen, weltweit Schlagzeilen zu erhalten. Das ist geglückt, wobei ich es komisch finde, dass die für Aromenbildung verantwortlichen Phenolverbindungen im Weltall geringer ausgeprägt waren, dort aber mehr Aromen im Whisky enthalten waren. Waren die Tester nur so begeistert von der Idee?

Bei den Reifungen in den Bergen oder im Eis kann ich mir tatsächlich vorstellen, dass der Grund hierfür war herauszufinden, was passiert. Das ist nicht ganz so teuer und die Temperaturschwankungen bzw. das dauerkühle Klima sind spannend. Denn je stärker die Temperatur schwankt, desto stärker ist auch die Interaktion des Whiskys mit dem Fass. Desto schneller kommt Geschmack ins Fass. Hier muss man schon sehr aufpassen, dass die Eichenfracht und Würze nicht zu sehr in den Vordergrund tritt und subtilere Aromen erschlägt.

Das war Teil 1 der ungewöhnlichen Reifeorte. Hast du schon einen der Whiskys probiert, die hier vorgestellt wurden? Was waren deine Eindrücke? Oder weißt du noch andere ungewöhnliche Reifeorte? Schreib mir gerne auf markus@whisky-wissen.de.

Nächste Woche folgt dann Teil 2. Vielleicht hast du es schon erkannt, wir arbeiten uns von Oben nach Unten durch die Lagerorte. Seid gespannt was es unterhalb der Berge noch zu entdecken gibt.

PS: Diese Bilder habe ich wieder von wikimedia verwendet.
Jungfraujoch: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e4/Jungfraujoch%2C_Bernese_Oberland_%28Ank_Kumar%29_12.jpg
ISS: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ISS_March_2009.jpg

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Eine Antwort

  1. Harald sagt:

    ISS wusste ich nicht.
    War sehr informativ.

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