Ungewöhnliche Reifeorte Teil 2

Whisky, Fakten, Spaß

Ungewöhnliche Reifeorte Teil 2

Dschungel Inseln

In Teil 1 der außergewöhnlichsten Reifeorte für Whisky haben wir uns im Weltall und in den Bergen befunden. Nun erkunden wir Gegenden, die etwas tiefer liegen.

Appenzell in der Schweiz

Um einen Übergang vom letzten Eintrag zu diesem zu haben, bleiben wir in den Bergen und sogar in der Schweiz. Was sich die Brauerei Locher und ein Bergwirt im Appenzellerland ausgedacht haben ist schon etwas besonderes. Hier liegt der höchstgelegene Whiskytrek der Welt. Wir halten uns zwischen 1.000 Metern und 2.500 Metern über dem Meeresspiegel auf. Das macht einen Durchschnitt von 1.750 Metern in dem sich die 26 teilnehmenden Berggasthäuser befinden.

2012 kam der Bergwirt Sepp Manser von der Meglisalp auf die Idee Whisky aus seinem eigenen Fass des Säntis Whiskys der Locher Brauerei anzubieten. Das hat sich im Bergwirte-Verein Alpstein herumgesprochen und inzwischen haben alle 26 dort organisierten Berggasthöfe auch ein eigenes Fass Säntis. Interessierte können auf diesem Whiskytrek von Berggasthof zu Berggasthof wandern und sich dort vor Ort ein Probiererle oder eine 10 oder 50 cl Flasche abfüllen lassen. Da die Kosten und Prämien, die man bei kompletter Abwanderung des Treks erhalten kann, variieren, gehe ich hier nicht darauf ein. Wenn es dich interessiert, ist es besser du erkundigst dich selbst, dann hast du tagesaktuelle Informationen. Such einfach nach Appenzeller Whiskytrek im Internet. 

In jedem Fass befindet sich das gleiche Grunddestillat. Unterschiedlich sind allerdings die Arten der Fässer, in denen der Whisky gelagert wird und natürlich der Lagerort. Die Fässer sind aus amerikanischer, portugiesischer, französischer oder russischer Eiche und haben vorher Süßwein, Merlot, Pinot noir, Sauvignon, Gamay, Zweigelt, Portwein, Sheerry, Rum, Bourbon, Zwetschgenbrand oder Bier enthalten. Es ist also ein sehr breites Spektrum das man hier probieren kann. Dazu die 26 Berggasthöfe als Lagerort mit ihren unterschiedlichen Höhen und somit Temperatureinflüssen machen die Idee sehr spannend. Die Geschmackspalette ist zu breit, als das ich hier einzeln darauf eingehe. Ich kann mir vorstellen es reicht von fruchtig süß bis trocken ledrig und staubig. Farblich dürften wir auch alles vertreten haben, von goldgelb bis dunkel wie Cola.

Ob es auf den Berghütten Übernachtungsmöglichkeiten gibt, weiß ich nicht. Ich denke aber es ist besser den Trek auf mehrere Male abzuwandern und nicht auf einmal. Zumal wenn du direkt vor Ort probieren willst, der Weg nach der zweiten oder dritten Station wahrscheinlich sehr schwierig wird und schwankt.

Das Ganze lief vor COVID scheinbar auch sehr gut, wenn man alle Berggasthäuser zusammennimmt, haben diese zwischen 50.000 und 60.000 der 10 cl Fläschchen verkauft. Der Trek ist für die Teilnehmer auch lohnend.

Die Tropen / im Tropenhaus

Reisen wir nun von Europa nach Asien, genauer gesagt nach Taiwan. Ungefähr eine Autostunde von Taipeh entfernt liegt die Kavalan Brennerei. Sie wurde 2005 gegründet und die Abfüllungen haben nach und nach auch Europa erobert. Das Gebiet ist an der Grenze der Subtropen und Tropen. In dieser Gegend herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit mit Temperaturen von ungefähr 15 Grad über dem schottischen Jahresdurchschnitt. Im 5-stöckigen Warehouse können im Sommer in den oberen Etagen bis zu 40 Grad Celsius erreicht werden, während in den unteren Stockwerken ungefähr 24 Grad herrschen.

Der Angel’s Share in Taiwan ist durch diese Bedingungen 4 -5 Mal so hoch, wie in Schottland. Das bedeutet für die Brennerei, dass so lange Lagerzeiten wie in Schottland überhaupt nicht möglich sind. Der Whisky erreicht sehr viel früher seine Reife, als der Schottische. Kavalan hat durch die herausfordernden klimatischen Bedingungen eine Stand heute recht einmalige Lage und trotz jungen Alters von drei bis fünf Jahren können die Whiskys sich sehen lassen. Da aber die Lage selbst ausgewählt wurde und somit auch der Lagerort damit einhergeht ist das zwar erwähnenswert, aber nicht so außergewöhnlich.

Gehen wir nun ein drittes und letztes Mal in die Heimat von Wilhelm Tell und Roger Federer. Und wieder zu Rugenbräu. Hier hatte der Master Distiller neben der Idee mit dem Lagern im Eis im Jungfraujoch noch den Einfall den Whisky in den Tropen zu lagern. Allerdings ist so ein Transport von Fässern aus der Schweiz in die Tropen recht teuer. Da ist es doch toll, dass nur ca. 30 Kilometer entfernt das Tropenhaus Frutigen liegt. Am 19.12.2017 wurden drei Fässer mit frisch destilliertem Whisky dort eingelagert und reifen bei durchschnittlich 21,8 Grad Celsius und 72 % Luftfeuchtigkeit. Wie bei Kavalan wird auch hier wird der Angel’s Share wahrscheinlich recht hoch liegen. Die Idee kam dem Master Distiller tatsächlich auch bei einer Verkostung von Kavalan Whisky. Spannend ist zudem die Fassauswahl. Es handelt sich um ein Fass, dass vorher Süßwein enthielt, eins mit Portwein und ein First Fill Fass. Dieses ist aus Holz vom Rugen Wald hergestellt und somit regional.

Das Projekt ist Stand 07.01.2022 noch nicht abgeschlossen, aber es werden quartalsweise Proben gezogen und analysiert. Ich persönlich rechne hier mit sehr intensiven und wuchtigen Whiskys, die viel Süße und Fruchtigkeit enthalten. Beim First Fill Fass ist es schwer einzuschätzen, ich hoffe aber der Holzeinfluss nimmt nicht so sehr überhand.

Sehr kreative Köpfe die Schweizer, das muss man ihnen lassen!

Auf dem Wasser

Von einigen Tausend Metern über dem Meer, begeben wir uns nun auf Null bzw. je nach Größe des Schiffs auf ein paar Meter über Null. Und wieder Slyrs, aber in Kombination mit der Weinhandlung Heiliger auf Sylt. Leute es tut mir leid, dass sich die Brennereien wiederholen, aber manche sind eben besser im Marketing als andere!

Es sollte Whisky von der Insel Sylt geben. In Zusammenarbeit mit Slyrs wurde so die Marke SILD gegründet. Allerdings waren die Grundstückspreise auf Sylt für ein Fasslager viel zu hoch. Die Beteiligten kamen dann auf die Idee einen Schiffsliegeplatz im Hafen von List zu mieten. Nach dem der Liegeplatz feststand, wurde ein Schiff gekauft und an den Liegeplatz verfrachtet. So reift nun im Schiff „The Angel’s Share“ der erste Sylter Whisky auf dem Wasser.

Das Schiff hat jedoch auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und nach einer Weile hat das raue Nordseeklima und Schwere See im Hafen dem Schiff so stark zugesetzt, dass es repariert werden musste. Es liegt nach der Reparatur nun, soweit ich recherchieren konnte, leer am Tegernsee. Der Whisky aus den Fässern wurde schon abgefüllt und verkauft. Der SILD Crannog Whisky auf List wird nun in der „Gret Palucca“ gelagert.

Der SILD Crannog hat 48 %. Farblich erinnert der Whisky an dunklen Bernstein. In der Nase würzig, süßlich und leicht rauchig. Geschmacklich laut Datenblatt kräftig, pfeffrig und angenehm salzig mit vollmundigem Malzton.

Nicht nur die Europäer kommen auf die Idee Whisky auf dem Schiff zu lagern. Ein Amerikaner ging sogar noch weiter und hat seinen Whisky auf dem Schiff transportiert.

Zwei Fässer des Jefferson’s Bourbon waren von Louisville mit dem Schiff nach New York City unterwegs. In New Orleans wurden die Fässer in ein anderes Schiff verlagert und bis Key West transportiert. Von da aus ging es auf einem Segelschiff nach New York. Ziel dieser Reise war das Nachstellen des Transportwegs früherer Bourbon Abfüllungen im späten 19 Jahrhundert. Auch geht der Inhaber von Jeffeerson’s Bourbon davon aus, dass die ständige Bewegung auf dem Schiff den Whiskey schneller und intensiver reifen lässt.

Er hat inzwischen schon diverse Fässer auf solche Reisen geschickt, teilweise mehrere Monate. Der Jefferson’s Ocean Aged at Sea wurde zunächst 8 Jahre im Warehouse gelagert und für fünf Monate auf dem Meer nachgereift. Scheinbar schmeckt jede Abfüllung je nach Reiseroute und Dauer unterschiedlich, was ich mir auch gut vorstellen kann. Es herrschen ja je nach Route auch unterschiedliche klimatische Bedingungen und jedes Fass ist vorher unterschiedlich lange im Warehouse vorgereift.

Unter dem Meer

Und wir wiederholen uns wieder. Dieses Mal im Ort, nicht in der Brennerei. Wir begeben uns wieder auf Sylt. Hier hat der Inhaber der Brennerei Blaue Maus in einem Gestänge aus Eisen ein 50-Liter-Fass, zwei 30-Liter-Fässer, fünf 12-Liter-Fässer und ein 10 Liter Fass, versenkt. Die Fässer lagerten so ungefähr 2 Meter unter Wasser. Jedoch wurden sie durch die Gezeiten ungefähr alle sechs Stunden teilweise trocken und dann wieder vom Meer verschlungen. Der Whisky war vorher für drei Jahre im normalen Lagerhaus gereift und dann für 6 Monate der Umarmung des Meeres ausgesetzt. Wir haben es hier also mit einem Meeresfinish zu tun.

Auch die Flaschen wurden für 6 Monate im Meer gelagert und alles was sich außen an der Flasche an Muscheln oder Krebsen usw. angesiedelt hatte, wurde mit verpackt. Hoffen wir, dass nichts in der Flasche war, als dann der Whisky eingefüllt wurde. Das erinnert sonst zu sehr an den Tequila mit Wurm in der Flasche und ein Whisky mit Krebs in der Flasche, nein das muss nicht sein. 

In der Nase ist der Whisky laut Datenblatt süßlich würzig mit Trockenfrüchten und Röstaromen, die maritime Note hält sich im Hintergrund. Im Geschmack kommen die Salznoten durch und ergänzen sich mit Lakrize und Hafenaroma von feuchten Netzen, Tauen und Algen. Der Abgang ist wieder eher süßlich würzig und der maritime Charakter tritt in den Hintergrund.

Unter Tage

Relativ wenige Infos, aber viele Abfüllungen finde ich von der Destillerie & Brennerei Heinrich Habbel. Diese haben mehrere ihrer Fässer nach 82 und 94 Monaten Reifezeit aus Ex Bourbon Fässern in Ex Recioto Fässer umgefüllt. Recioto ist ein Süßwein aus Italien. Diese wurden dann für weitere 14 Monate unter Tage im deutschen Bergbaumuseum Bochum gelagert.

Die Idee ist kein Experiment in unterschiedlichen Lagermöglichkeiten und Auswirkungen auf den Geschack. Es ist eine Hommage an den Bergbau, denn früher war die Brennerei Zulieferer für Zechen unter Tage. Geschmacklich beschreibt das Datenblatt Beeren, Rosinen und Trauben vereint mit Karamell, Toffee und Vanille. Tatsächlich würde mich hier interessieren, wie groß die Unterschiede zwischen der Lagerung im normalen Warehouse und der Lagerung unter Tage sind.

Fazit

Du siehst der Kreativität in der Lagerung von Whisky sind keine Grenzen gesetzt. Ob im Weltall, im Eis, in den Bergen, den (künstlichen) Tropen, auf Schiffen, im Meer oder sogar unter Tage. Es ist alles Möglich und wird ausgenutzt und verwendet. Gerade die Reifung von Ardbeg auf der ISS halte ich für einen großen Marketing Gag. Die anderen Gegenden sind teilweise der Lage der Distillery in den Tropen geschuldet, aber auch sehr spannende Experimente. Der Geschmack des Whiskys wird ja auch durch die klimatischen Bedingungen und der Umgebung bestimmt. Ich bin sehr gespannt auf was wir uns in Zukunft gefasst machen können. Scheinbar sind die deutschen und schweizerischen Brennereien sehr kreativ was die Lagerorte angeht. Aber auch hier spielt wahrscheinlich das Marketing mit. Der Markt hier ist noch jung und relativ unbekannt, da kann man auch mal außergewöhnliches wagen und Versuche starten um bekannt zu werden. Ob die dann immer gut sind, zeigt die Zeit.

Schottischer Whisky ist eine Institution und muss sich nicht mit solchen Experimenten bekannt machen. Allerdings helfen Experimente auch, dass Institutionen bekannt bleiben.

Ich persönlich habe bis auf ein paar Kavalan Abfüllungen keinen der beschriebenen Whiskys probiert. Werde aber den Apenzeller Whiskytrek in einer Post COVID Zeit besuchen. Alle Geschmacksnoten kamen von Beschreibungen aus dem Internet. Falls du also einen der Whiskys probiert hast und andere Eindrücke hast, schreib sie mir auf markus@whisky-wissen.de

PS: Das Beitragsbild stammt wieder von wikimedia https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Piaynemo_Raja_Ampat.jpg

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