Erwartungshaltung

Whisky, Fakten, Spaß

Erwartungshaltung

Blind Tasting New Year

Tastings sind etwas Tolles. Man sitzt zusammen mit anderen Whisky Genießern und probiert verschiedenste Whiskys durch. Es entstehen Gespräche und Diskussionen, die einem neue Blickwinkel öffnen. Im besten Fall findet man neue Whiskys, die man nicht auf dem Schirm hatte. Ich habe schon einige Tastings mitgemacht, vom Raritätentasting, in dem ein Port Ellen das Highlight war und diverse andere Kracher ausgepackt wurden, bis zu einem Feis Ile Tasting das leider nicht gehalten hat, was es versprochen hat.

Am liebsten sind mir aber Blind Tastings. In einem Blind Tasting werden dir unbekannte Whiskys vorgesetzt. Du hast keine Ahnung worauf du dich einlässt und was du im Glas hast. Das ist aber kein Grund um Hilfe zu rufen. Nimm die Fassdaube vor deinen Augen weg und probiere es. Warum das so toll ist, erfährst du in den folgenden Absätzen.

Unbekanntes Terrain

Es ist sehr spannend sich ohne Erwartungen auf einen Whisky einzulassen. Du weißt nicht, was im Glas ist und bist völlig unvoreingenommen.

Du nimmst das Glas in die Hand, schaust dir die Farbe an. Ist der Glasinhalt hell oder dunkel? Wie ziehen die Schlieren an der Glaswand? Sind sie dick oder eher filigran? Wobei manche sogar so weit gehen und gefärbte Gläser verwenden. So kann man sich auch nicht von der Farbe beeinflussen lassen. Die weckt nämlich auch Erwartungen.

Als zweites riechst du am Glas. Was kommt hier in der Nase an? Hast du etwas fruchtiges, süßes, blumiges? Vielleicht Heu und eine Weide? Oder doch eine Rauchbombe mit viel Torf und Asche? Glimmendes Lagerfeuer oder kalten Rauch?

Im dritten Schritt probierst du und lässt diese Eindrücke auf dich wirken. Bestätigt sich die Nase, oder gibt es noch andere Geschmacksnoten? Hat der Whisky mehr Holz als gedacht? Wie lange ist der Abgang?

All das kannst du komplett frei genießen und dich vollständig auf den Whisky einlassen. Schmeckt er dir, oder ist der Whisky eher nichts für dich?

Wenn du weißt, was du im Glas hast, entstehen automatisch Erwartungen an den Geschmack. Du bist Voreingenommen und das Überraschungspotential ist durch diese Erwartungshaltung gedämmt. Im Zweifel schmeckt dir der Whisky, weil dir die Marke immer schmeckt. Oder der Whisky ist nichts, weil du die Marke einfach nicht magst. Du weißt es ja aus Erfahrung, warum sollte es denn jetzt mit dem Glas anders sein als sonst?

Erfahrungen

Eben das finde ich an den Blind Tastings so toll. Meine bisherigen Vorstellungen wurden blind schon öfters auf den Kopf gestellt. In einem meiner ersten Blind Tastings hatten wir einen ganz schlechten Whisky. Er war etwas rauchig, hatte einen eigentümlichen Geschmack und war langweilig. Sehr eindimensional und einfach nicht mein Geschmack. Das war der schlechteste Whisky des Abends, würde ich so nie kaufen. Tja und jetzt stell dir vor, wie überrascht ich war, dass es ein Laphroaig 15 Jahre zum 200-Jjährigen Jubiläum der Distillery 2015 war.

Als Laphroaig Fan bin ich aus allen Wolken gefallen. Erstens habe ich einen Laphroaig nicht erkannt? Wie kann das sein? Ich erkenne das Profil doch blind – dachte ich. Und warum zum Teufel ist der Whisky so schlecht? Tja es war eben nicht das typische Laphroaig Profil und es war per se kein guter Whisky. Jeder hat an diesem Abend das gleiche Urteil über diesen Laphroaig gefällt. Nun habe ich davon zwei vorab gekaufte Flaschen zuhause stehen, die ich definitiv nie öffnen werde. Irgendwann werde ich die verkaufen. So viel zum Gedanken, das würde ich so nie kaufen.

In einem Punkt bin ich mir aber sicher. Hätte ich gewusst, dass ich da einen Laphroaig trinke, mein Urteil wäre besser ausgefallen. Wahrscheinlich hätte ich ihn nicht zum Besten Whisky überhaupt erklärt, aber ich hätte ihn auch nicht zum Schlechtesten des Abends erkoren.

Ein anderes Mal hatte ich einen wahnsinnig tollen Whisky im Glas, den ich unbedingt nachkaufen wollte. Es war ein Benromach. Diese Distillery hatte ich nicht auf dem Schirm und meines Wissens nach, auch noch nie etwas davon probiert. Es war also völliges Neuland und wahrscheinlich hätte ich den Whisky sonst links liegen lassen, da er einfach nicht in mein sonstiges Whisky Profil passt.

Selbst verarscht

Du siehst also, wenn du unvoreingenommen an deinen Whisky herangehst, kann das einige Überraschungen bergen.

Ich habe so ein Blind Tasting zu Beginn meiner Whiskytrinkerei mit mir selbst gemacht. Völlig aus Versehen, aber es war eine lehrreiche Erfahrung zu sehen, was Erwartungshaltungen machen.

Nach einem langen Tag im Studium, war ich platt und wollte nur einen Whisky zum Abschalten und dann ins Bett. Ich hatte mich total auf einen Lagavulin gefreut und schenke mir also ein Glas ein. Was auch immer dazwischen kam, ich habe das Glas ungefähr eine Stunde stehen lassen, bis ich mich ihm wieder widmen konnte.

Voller Vorfreude nehme ich also das Glas Lagavulin in die Hand und trinke, ohne vorab an dem Inhalt zu riechen. Meine Güte ich habe noch nie so einen ekelhaften Lagavulin getrunken. Halleluja was haben die mit meiner Lieblings Distillery gemacht? Ein völliger Fehlgriff. War der Inhalt aus irgendeinem Grund schlecht geworden? Das sind doch nicht die Aromen nach Räucherspeck, Lagerfeuer, Meer und Trockenfrüchten, die ich so liebe. Das ist einfach nur torfig, rauchig und ich muss es so sagen, echt ekelhaft. Kann das sein, dass die mir meinen Whisky vermiesen wollen? Also rieche ich an der Flasche Lagavulin. Nein die riecht wie immer und hat genau die Aromen, die ich erwartet habe. Was ist denn da los? War das Glas nicht sauber?

Damals hatte ich nicht so viele Flaschen wie heute, also greife ich zu meiner oben erwähnten anderen Lieblingssorte, einem Laphroaig. Kann das denn sein? Ich rieche an dem Laphroaig und wieder am Glas. Ja tatsächlich, da ist ein Laphroaig im Glas. Wie auch immer ich das geschafft hatte. Da war ein Laphroaig im Glas und meine Erwartung war ein Lagavulin.

Beide Whiskys kommen zwar aus Islay und ungefähr der gleichen Ecke. Der Lagavulin, den ich erwartet hatte ist vornehm und edel, er nimmt dich in den Arm und du kannst dich darin fallen lassen. Das war meine Erwartungshaltung.

Der Laphroaig ist jodig, torfig und boxt dir eher mit Schmackes ins Gesicht, als dass er dich in den Arm nimmt. Ich hatte also einen entspannten Dram erwartet und wurde völlig überfahren. So sehr, dass ich erstmal dachte der Whisky wäre irgendwie in der Flasche kaputt gegangen.

Glaubt mir das war für einen kurzen Moment der ekelhafteste Lagavulin, den ich jemals getrunken hatte. Ich hätte Lagavulin sofort abgeschworen, wäre es tatsächlich einer gewesen. Als ich aber dann wusste, dass ich da einen Laphroaig im Glas habe, war der Inhalt auch wieder gut. Ich musste nur meinen Kopf richtig rücken und mich auf Laphroaig einstellen.

Erwartungshaltungen schaffen es also, dass sogar einer der Lieblingswhiskys sehr schlecht schmecken kann.

Mein absoluter Favorit

Was ist aber bei jedem Blind Tasting gleich? Ich habe festgestellt, dass ich für mich persönlich einfach eine Distillery habe, deren Whiskys immer Oben in der Bewertung landen. Auch wenn ich einen Lagavulin vielleicht nicht am Geschmack erkenne, so wähle ich ihn doch immer zu den Top Whiskys des Abends.

Als ich den Laphroaig 15 Jahre zum schlechtesten des Abends gekürt hatte, wurde ein sehr leckerer Whisky einer der Top Whiskys des Abends. Es war ein Lagavulin, welcher weiß ich nicht mehr.

Kürzlich hatte ich online ein tolles Blind Tasting, welches Lars von whisky-leaks-ulm veranstaltet hat. Alle vier Whiskys waren gut, aber der Letzte war die Wucht. Mein Whisky des Abends. Er war rauchig, ungestüm, maritim jung und wild, er wollte nicht jedem gefallen, er war wie er war. Lustigerweise hat er nur Lars und mir geschmeckt, die anderen Teilnehmer fanden den nicht so toll. Lars kennt meinen Geschmack und hat bei der Bekanntgabe lachen müssen, denn ihm war klar, dass ich den mag. Es war ein Lagavulin.

So konnte mir das Herangehen ohne Erwartungshaltungen schon zwei Mal bestätigen, was ich schon immer wusste. Lagavulin ist meine Top Distillery, von der ich bisher alles mag.

Fazit

Erwartungshaltungen sind an sich etwas Gutes. Du hast einen gewissen Standard, den du erreichen willst und den du nicht aufgeben magst. Allerdings ist es auch toll, dich völlig unvoreingenommen auf etwas Neues einzulassen. Sei frei im Kopf und genieße neue Erfahrungen. Genau das macht das Leben aufregend und spannend. Und das ist nicht nur beim Whisky so!

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