Ein Rant
Ein für mich unbestrittener Fakt ist, dass ich Whisky toll finde und es für mich kein besseres alkoholisches Getränk gibt. Ein schöner Abend mit Freunden, gute Gespräche, guter Whisky. Das gibt mir so viel und das ist herrlich. Solche Abende will ich nie im Leben missen.
Wie in allen Lebenslagen, gibt es jedoch auch einige Dinge, die mich am Whisky ein bisschen stören. Und so schön das Thema generell ist, manchmal muss raus, was einem nicht in den Kram passt. Daher geht es heute um ein paar Themen, die mir aus heutiger Perspektive nicht gefallen und deren Entwicklung ich mit Sorge betrachte. Somit werde ich mich heute mit den Schattenseiten von Whisky beschäftigen. Also lehne dich zurück und genieße einen schönen Dram. Denn auch wenn man auf negative Entwicklungen hinweist, sollte man das große Thema nicht aus den Augen verlieren; den Genuss. Es lohnt sich ja auch nicht vor lauter Groll nichts mehr mit Whisky zu tun haben zu wollen. Ich bin gespannt, ob es dir genauso geht, oder ob du anderer Meinung bist. Auch werde ich heute subjektiv Luft ablassen und übertreibe hin und wieder vielleicht. Objektiv beschäftige ich mich wahrscheinlich ein anderes Mal mit den Themen. Schreibe mir gerne auf markus@whisky-wissen.de was für dich Störfaktoren sind.
Finishes
Was als tolle Sache begann und teilweise sehr spannend sein kann, nimmt in letzter Zeit überhand. Ich spreche vom sogenannten Finishing.
Es kann richtig tolle Finishes geben, für mich ist der 16-jährige BenRiach Sauternes Wood Finish unübertroffen, was das Thema angeht. Aber sehen wir doch mal, wie es oft ist. Die Nachfrage nach Whisky ist weltweit extrem hoch und gerade in den letzten Jahren gestiegen. Da bietet es sich doch an, den Bedarf zu stillen. Man nimmt einen Whisky von geringerer Qualität, den so wahrscheinlich kaum jemand kaufen würde. Den wirft man dann noch für eine Weile in ein Fass, dass vorher Süßwein, Sherry oder sonst etwas enthalten hat und nach einer relativ kurzen Zeit übertüncht das Finish den eigentlichen Geschmack des Whiskys so, dass er trinkbar ist.
Wenn ein Finish gut gemacht ist und es den Whisky ergänzt, mit ihm eine Verbindung eingeht und die Aromen komplettiert, kann das etwas richtig Tolles sein. Ich selbst habe ein paar Fassexperimente für mich gemacht und war oft richtig erstaunt, was aus den Grundwhiskys für Aromen mit einem Finish herausgekitzelt werden können. Aber wenn es nur darum geht, den Whisky aufzupeppen und verkaufsfertig zu machen, ist das einfach schade. Es gibt inzwischen unzählige Finishes und Doppelreifungen, oder gar Tripelreifungen, es wird langweilig. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das mal sage. Aber ich frage mich oft, ob das jetzt nötig war, oder ob es die klassische Bourbonfassreifung nicht auch getan hätte.
Aber ohne Sherry Finish im noch nassen Sherryfass wird die Farbe eben oft nicht so dunkel und inzwischen ist dunkler Whisky allein ja schon ein Verkaufsargument. Nasses Sherryfass bedeutet in dem Fall, dass noch eine gewisse Menge an Sherry enthalten ist.
Auch hier gilt, die Masse will es, die Masse kriegt es. Und ja auch ich stehe auf Süße im Whisky, bin Marketingopfer und fliege auf dunkle Whiskys. Daher ein Hallo an alle Farbtrinker da draußen. Dennoch könnte der Wahnsinn für mich ein Ende finden und Finishes nur noch zur Ergänzung der Aromapalette verwendet werden, nicht zum Übertünchen des eigentlichen Geschmacks des Destillats und zum Färben. Ich will ja keine Wand mit dem Whisky streichen, sondern ihn trinken. Wenn ich nach jedem Dram zur Zahnreinigung muss, um wieder weiße Zähne zu haben, macht das auch keinen Spaß.
Hype Flaschen
Als Whisky Liebhaber bin ich in gefühlt jedem Whisky Fanclub, den die Distilleries anbieten. Vom Ardbeg Committee, über die Friends of Laphroaig, den White Staggs von Arran zu den Comatose Drinkers of High Volume Distillery. Geratet jetzt nicht in Panik, dass ihr die Comatose Drinkers nicht kennt, die sind ausgedacht. Den Rest gibt es. In diesen tollen Vereinigungen können die Mitglieder dann besondere Flaschen kaufen, an Events teilnehmen und sich sonst auch austauschen. Aber was passiert denn eigentlich in diesen Geheimbünden? Auch die wollen nur unser Bestes, unser Geld. Da kommt dann die nächste Special Edition nur für uns Mitglieder. Der Verkauf geht zu so unchristlichen Zeiten los, in denen die meisten Leute arbeiten müssen. Montags um 10 Uhr britischer Zeit. Also loggt man sich schon eine Stunde vor Verkaufsstart ein, da man die Zeitverschiebung vergessen hat. Dennoch ist man in guter Gesellschaft, denn die Seite ist völlig überfordert und bricht unter all den Anfragen zusammen. So kann man sich wenigstens damit trösten, dass man nicht der einzige Zeitvergessene ist. Aber davon lassen wir uns nicht entmutigen. Wir halten tapfer durch und loggen uns zur richtigen Zeit nochmals ein, nur um dann festzustellen, dass um 10:01 Uhr britischer Zeit alles ausverkauft ist. Leute wie geht das denn? Die Flasche war im Warenkorb. Das ist so, wie wenn uns jemand die Flasche im Supermarkt aus dem Einkaufswagen herausklaut. Nur können wir uns in der Realität wehren und der Person zur Not die Flasche auf den Kopf hauen. Virtuell geht das nicht und wir sehen nur, dass auf einmal der Warenkorb leer und alles ausverkauft ist. So ist es mir bei einer White Stagg Abfüllung letztes Jahr gegangen.
Oder die Seite ist bis 10:05 überhaupt nicht erreichbar und dann erscheint dennoch die Meldung es ist alles ausverkauft. Auch beliebt war früher bei einigen Herstellern, dass die Seite komplett überlastet war und nichts mehr ging. Also wird der Verkaufsstart eine Woche später gelegt und das Gleiche passiert wieder.
Dieses Jahr lief es bei einer Ardbeg Committee Abfüllung dann so, dass man auf eine Warteseite geleitet wurde und per Zufallsprinzip die Verkaufsseite freigeschaltet wurde. Das heißt einige Leute waren sicherlich rechtzeitig da und konnten nichts kaufen, da sie nicht weitergeleitet wurden, andere haben sich eingeloggt und wurden gleich weitergeleitet. Ist das fair? Tatsächlich konnte ich noch ein Sample in der Originalflasche von jemandem kaufen. Der Ardcore schmeckt, aber er ist nichts Besonderes und den Aufwand definitiv nicht wert.
Vielleicht sollten wir uns vom Hype entfernen. Auf der anderen Seite ist es irgendwie auch schön Flaschen da stehen zu haben, die zu erhalten „schwer“ waren. Denn alles fühlt sich besser an, wenn man darum kämpft.
Preisentwicklung
Beim Schreiben des Beitrags bin ich aufgewacht und habe gelesen, dass die Inflationsrate im Januar bei 4,9 % liegt. Ja der Beitrag liegt schon etwas in der Schublade. Hauptauslöser sind vor allem die stark gestiegenen Energiepreise. Diese sind im Vergleich zu Januar 2021 sogar um 20,5 % gestiegen. Wann soll das denn bitte aufhören, jetzt mit einem Krieg in Europa und Unsicherheiten im Beschaffungsmarkt.
Was wir Whiskytrinker nun seit einigen Jahren mitbekommen haben, nämlich eine Preissteigerung unserer Lieblingsflaschen, meist völlig unabhängig von Distillery und Alter, wälzt sich nun auf die gesamte Wirtschaft ab.
Falls du deine Whiskysammlung in der whiskybase angelegt hast, wirst du dir wahrscheinlich regelmäßig die Augen reiben und staunen, was der Sammlerwert bestimmter Flaschen nun ist. Gut in der Base sind oft Mondpreise, die es mit Vorsicht zu genießen gilt. Aber betrachten wir doch mal einen ganz normalen Whisky, einen meiner Lieblinge, den 16-jährigen Lagavulin. Ich übertreibe etwas, wenn ich den inzwischen wahrscheinlich schon historisch zu nennenden Kontext des Beginns meiner Whisky Karriere nenne. Da konnte auch ich als Schüler / Student mir für 35 € ganz gut mal eine Flasche leisten. Über die Jahre hinweg hat sich der Preis dann bei um die 50 € festgesetzt. Inzwischen steht hier eine Flasche bei um die 68 €. Über 20 Jahre hinweg hat sich der Preis somit subjektiv verdoppelt. Wenn wir aber sehen, dass die Flasche zu Beginn des letzten Jahres noch bei um die 55 – 60 € lag, kommt ein Großteil der Steigerung aus einem Jahr. Wenn der Schnitt der Aktien auch so nach oben gehen würde, die Welt und allen voran die Bänker käme aus dem Feiern nicht mehr raus.
Die Lagavulin Distillers Edition, die früher noch 16 Jahre gereift ist, hat in der 2021er Ausgabe nur noch 15 Jahre auf dem Buckel, aber liegt auch schon bei über 90 € pro Flasche. Wenn das so weitergeht, muss ich mir neue Lieblinge suchen, weil ich mir die Flaschen dann schlicht nicht mehr leisten kann.
Es gibt natürlich noch immer Whiskys, die sich für unter 50 € kaufen lassen, aber das Segment wird immer kleiner. Der Talisker 10 Jahre zum Beispiel ist in seinem Preis bisher relativ konstant und hat sich tatsächlich kaum verändert.
Und Fun fact. Die Chefeinkäuferin von The Whisky Exchange, einem der größten britischen Whiskyhändler, hat in einem Interview mit dem daily record vor einer Verdreifachung der Preise bei Whiskys mit einem Alter von über 20 Jahren gewarnt. Und wenn es einen ökonomischen Fakt gibt, dann den. Wenn ein Preis einmal gesetzt ist, ist es schwer ihn wieder zu senken. Hauptsächlich liegt ihre Befürchtung am Brexit. Durch COVID hat sich die Lage nochmal verschlimmert, da absolut alles am Produktionsprozess deutlich länger dauert, als früher. Und noch etwas wie im BWL Lehrbuch beschrieben. Die Nachfrage übertrifft das Angebot bei weitem. Hier der Link zum spannenden Interview:
https://www.dailyrecord.co.uk/news/scottish-news/scots-single-malt-whiskies-triple-25619257
Liebe Nicht-Whisky-Trinker, die ihr evtl. auch den Blog lest. Was könnt ihr mir denn an alkoholischen Alternativen zu Whisky empfehlen? Ich mag das Zeug zwar, aber will mich nicht deshalb verschulden müssen.
Fazit
Ja es gibt ein paar Dinge, die mich am Thema Whisky stören. Diese sind nicht von der Hand zu weisen und sie sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Gerade als Konsumenten haben wir es auch in der Hand, gewissen Dingen gegenzusteuern. Wir müssen ja nicht die teuersten Flaschen kaufen oder der letzten – fülle hier beliebige tolle Adjektive ein – Hype Flasche hinterherrennen. Wir können auch auf andere leckere Whiskys umsteigen und diese genießen.
Trotzdem ist Whisky ein Getränk, das sich lohnt zu genießen und mit einem Dram eine gute Zeit mit Freunden zu verbringen. Meine Passion ist ungebrochen, trotz dieser Entwicklungen.
Hier nochmals die Frage, was stört dich gerade am Thema Whisky, oder bist du völlig anderer Meinung? Dann schreib mir gerne auf markus@whisky-wissen.de
3 Antworten
Ich finds noch schlimmer. Momentan gibt es nur noch Mist zu überhöhten Preisen.
Schade
Ich sehe es genauso so .. Es wird viel zu viel auf den Markt geworfen (siehe als Bsp Glenallchie). Hinzu kommt die schlechtere Qualität in den meisten Fällen, jeder macht jedem alles nach, zig Finshes und steigende, manchmal sehr verwunderlichliche, Preise.
Ich werde dem Whisky treu bleiben, denn Rum, Gin und Cognac haben auch alle Ihre Probleme..
Aber ich schaue schon mal nach links und rechts ob es noch was gibt, was nicht jeder kennt.
Ja Glenallachie haut momentan extrem viel auf den Markt was auch Preislich abgehoben ist. Allerdings hatte ich kürzlich die Möglichkeit den 30-jährigen Madeira Single Cask von denen zu probieren. Das war schon ein Brett. Aber ja preislich jenseits von Gut und Böse.
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