Dramaturgie beim Tasting

Whisky, Fakten, Spaß

Dramaturgie beim Tasting

Dramaturgie beim Tasting

Warst du schon einmal bei einem Whiskytasting und überrascht, wie perfekt die Whiskys aufeinander aufbauen und immer mehr Aromen aufzeigen? Aber wenn du sie zuhause einzeln probierst, sind die guten Tropfen irgendwie nicht mehr so toll, wie beim Tasting? Dann liegt das daran, dass du den Whisky getrunken hast, ohne vorbereitet zu sein. Oder willst du selbst ein Tasting mit Freunden durchführen und überlegst, in welcher Reihenfolge die Whiskys passen könnten?

So kompliziert ist das gar nicht und heute will ich dir zeigen, wie du das am besten machen kannst. Wenn du dir die Regeln zu Herzen nimmst, steht einem gelungenen Tasting nichts im Wege.

Der Aufbau funktioniert auch, wenn du die Whiskys evtl. überhaupt nicht kennst. Das macht die Sache etwas schwerer, aber nicht unmöglich. Also gönne dir einen Dram und mach dich mit mir auf zu einem kleinen virtuellen Tasting.

Der Geschmack

Im Eintrag „Auf den Geschmack kommen“ haben wir gelesen, dass Whisky zwischen 300 und 400 Aromen enthalten kann. Diese können völlig verschieden sein, wenn du mehrere Whiskys in einem Tasting hast. Also solltest du ungefähr wissen, in welche Richtung der Whisky geht. Wenn du nicht völlig unbeschlagen in Sachen Whisky bist, kannst du auch ohne zu wissen, wie der Whisky schmeckt und ohne die Flasche zu öffnen, ungefähr wissen, was dich erwartet.

Ganz vereinfacht gesagt wird ein Lagavulin oder ein Laphroaig immer einen rauchigen oder torfigen Geschmack haben. Ein Macallan wird in den seltensten Fällen rauchig sein, mir fällt zumindest keiner ein.

Da sich rauchiger Whisky gerne auf deiner Zunge und im Gaumen breit macht und noch lieber bleibt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du nach einem rauchigen Whisky in jedem anderen Whisky Rauch schmeckst.

Daher gilt als erste Regel im Tasting, die rauchigen Whiskys ans Ende zu stellen. Solltest du nur rauchige Whiskys im Tasting haben, bietet es sich an, die weniger rauchigen als Erstes zu probieren und dich zu den stark rauchigen hin zu arbeiten.

Der Alkoholgehalt

Im Eintrag „H2oooooh!“ gehen wir der Fasstärke – ja ich weigere mich noch immer sss zu schreiben –  auf den Grund. Wir haben erfahren, dass ein hoher Alkoholgehalt auf den Gaumen betäubend wirken und unseren Geschmackssinn trüben kann.

Daher bietet es sich an, Whiskys in Trinkstärke an den ersten Stellen im Tasting zu platzieren und sich dann zu den Fasstärke Whiskys hochzuarbeiten.

Da das Guajacol bei höherem Alkoholgehalt im Glas nach unten sinkt, ist es schwerer, andere Aromen zu erkennen. Da ist doch auch von Vorteil, wenn die Nase durch die vorangegangenen Whiskys schon trainiert ist und die Aromen leichter erschnüffelt. Denn mir geht es zumindest so, dass ich mit fortschreitender Dauer im Tasting leichter verschiedene Aromen im Whisky erkenne. Als würde meine Nase besser werden. Das geht aber nur bis zu einem gewissen Grad. Nach circa fünf Whiskys in einem Tasting sind Nase und Gaumen dann doch überfordert und ich rieche und schmecke nicht mehr so viel wie vorher.

Die Menge

Wie eben schon erwähnt, kann die Menge beim Tasting auch etwas ausmachen. Zum einen reden wir noch immer von einem alkoholischen Getränk, das in Maßen (nicht in den Bierkrügen) getrunken werden sollte. Zum anderen haben wir Menschen irgendwann das Problem, dass unsere Nase überfordert wird und wir Gerüche nicht mehr so intensiv wahrnehmen wie zu Beginn. Vielleicht hast du schon einmal Duftproben von Parfums genommen und irgendwann festgestellt, dass du eigentlich nichts mehr riechst? Genauso ist es mit Whisky. Wenn wir unsere Nase überfordern, stumpft sie irgendwann ab und braucht eine Pause. Das ist völlig natürlich und menschlich.

Je nachdem, wie intensiv die Whiskys sind, fängt das bei mir ab ungefähr fünf Whiskys an.

Daher solltest du dir beim Tasting überlegen, wie viele Whiskys du dir und anderen zumuten kannst um noch Spaß zu haben. Gut der Spaß kommt auch, wenn ihr mehr probiert, aber das ist dann doch eher Wirkungstrinken, als Tasting.

Der Inhalt

Im Beitrag „Holzchips und Fassreifung“ gehen wir auf Finishes und Vollreifung ein. Ebenso, wie die unterschiedlichen Reifearten sich auf den Geschmack auswirken.

Je nachdem, ob du eine Vollreifung hast, oder ein Finish, schmeckt der Whisky unterschiedlich intensiv. Hast du eine lange Reifung in einem Sherryfass, oder nur ein Finish in einem Sherryfass? Das kann einen großen Unterschied machen. Die Vollreifung ist meist intensiver und legt sich mehr auf den Gaumen, als nur ein Finish. Da geht es dem Gaumen dann, wie beim Rauch. Wenn du einen voluminösen gaumenfüllenden Whisky zu Beginn im Tasting hast, kann es sein, dass er dir den Gaumen belegt und du danach einfach nichts mehr schmeckst, außer den Noten des ersten Whiskys.

Du solltest also Whiskys mit reiner Bourbon-Reifung und Finishes vor Vollreifungen setzen. Filigran vor Wucht.

Kombination

Im Beitrag „Erwartungshaltung“ bin ich schon etwas auf die Tastings von Lars und whisky-leaks-ulm eingegangen. Ich finde er hat eine tolle Methode für seine Probierrunden. Er sagt immer, dass die Teilnehmer noch etwas von dem vorangegangenen Whisky im Glas lassen sollen. Nach dem Probieren der anderen Whiskys entwickelt sich dann oft ein ganz anderer Geschmack.

Das liegt zum einen dann daran, dass der Whisky nun schon länger an der Luft ist und die Oxidation begonnen hat. Zum anderen liegt es aber auch an einer Kombination aus den vorher genannten Punkten. Unsere Nase und Gaumen war mit anderen Aromen beschäftigt. Der steigende Alkoholgehalt hat unseren Gaumen etwas betäubt und wir schmecken die Dinge anders. Evtl. haben wir sogar schon einen rauchigen Whisky im Mund gehabt. All das bewirkt dann, dass der erste Whisky, der relativ filigran war, auf einmal komplett anders wirkt, als noch beim ersten Probieren.

Bei einem Tasting war der erste Whisky etwas wässrig, citruslastig und hatte eine leichte Süße. Als wir dann nach Whisky Nummer 4 zu dem ersten Whisky zurückgekehrt sind, war die Süße viel präsenter, als zu Beginn. Auch ging die Citrusnote zurück und die Wässrigkeit war nicht mehr so ausgeprägt.

Noch etwas sollte man nicht vergessen. Zwischen den Whiskys kannst du auch immer wieder mal ein Weißbrot essen, oder Wasser trinken, um deinen Geschmacksknospen etwas Entlastung zu gönnen.

Fazit

Einem gelungenen Tasting steht relativ wenig im Wege, wenn du ein paar Grundregeln beachtest.

Fange mit Whiskys an, die einen geringeren Alkoholgehalt haben, nicht rauchig und eher filigran im Geschmack sind. Arbeite dich dann langsam weiter und steigere den Geschmack zu voluminösen und alkoholhaltigeren Whiskys bis hin zu den Rauchbomben mit Fasstärke.

So kannst du dir sicher sein, dass der erste Whisky nicht sofort jeden anderen Whisky in deinem Tasting überlagert.

Aber lass auch immer ein bisschen was von den vorangegangenen Whiskys im Glas. So kannst du wieder andere Aromen darin entdecken. Auch das kann sehr spannend sein.

So ziemlich jedes Tasting, an dem ich teilgenommen habe, oder das ich selbst mit Freunden durchgeführt habe, hat sich nach diesem Schema ausgerichtet. Und bisher hat das super funktioniert.

Was mich nun interessieren würde. Hast du schon Tastings durchgeführt? Machst du das ähnlich, oder hast du komplett andere Ideen? Das Bild für den Blog ist ein Beispiel, wie ich ein fiktives Raritätentasting aufbauen würde. Wäre deine Reihenfolge die Gleiche? Geschmacklich kenne ich nur den BenRiach und den Octomore 6.3.

Lass es mich gerne unter markus@whisky-wissen.de wissen.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß bei deinem nächsten Tasting und wer weiß, was für leckere Whiskys du dabei entdeckst.

Noch ein Hinweis in eigener Sache. Der Blog liegt seit Juli in einem Dornröschenschlaf. Vereinzelt werden noch ein paar Beiträge kommen, aber ich habe gerade ein anderes Projekt, welches mir neben meinem Vollzeitjob die Zeit für den Blog nimmt. Es ist aus einer Idee für einen Blogbeitrag zum Thema Prohibition entstanden. Kurz zusammengefasst war ich mit diesem Beitrag überhaupt nicht zufrieden und der Meinung, dass ich es besser schreiben kann. Das Ganze hat sich dann mit der Zeit verselbstständigt und es wird ein Buch daraus. Statt der im Durchschnitt 1.200 Worte für einen Blogbeitrag, habe ich inzwischen über 90.000 Worte und die Geschichte ist noch nicht am Ende. Seid gespannt, ich hoffe bald fertig zu werden. Dann gehe ich nochmals von vorn durch und mache mich parallel auf die Suche nach einem Verlag. Es ist kein Sachbuch, eher würde ich es als „historical fiction“ einordnen. Eine fortlaufende Geschichte, anhand derer ich vereinzelt die historischen Gegebenheiten zur Zeit der Prohibition erläutere. Ich kann nur sagen, dass es mir richtig Spaß macht die Geschichte zu schreiben, weshalb ich mich gerade darauf konzentriere.

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