Auf den Geschmack kommen
Vor einiger Zeit saß ich mit zwei Freunden in einem Pub. Es gab Wein, Whisky und Wasser. Und da ich fahren musste, für mich das Wasser. Dennoch war ich neugierig wie denn der Whisky schmeckt und habe gefragt, ob ich zumindest mal riechen darf. Beim Whisky hat der Sherry und das Holz überwogen, dennoch konnte ich Trockenfrüchte und Leder erkennen. Meine Freunde waren interessiert, wie man so etwas herausriechen kann. Um zu beweisen, dass es nicht so schwer ist, sondern nur etwas Übung braucht, habe ich gesagt sie sollen am Wein riechen und mir sagen was sie riechen. Da kam dann zurück, dass er halt nach Wein riecht. Also bat ich um das Glas und habe neben dem typischen Weingeruch noch dunkle Schokolade und die Fassnoten, so wie eine leichte Säure erkannt. Ich habe das Glas zurückgegeben und als sich meine Freunde darauf konzentriert haben, erkannten sie zumindest die Schokolade.
Der Versuch dem Whisky mit etwas Wasser mehr Profil zu geben, misslang jedoch. Es hat dann statt Holz nur noch nasses Holz überwogen.
Wie kann man aber überhaupt Geschmäcker erkennen und deuten? Das will ich dir in den nächsten Zeilen zeigen. Das Vorgehen was ich hier beschreibe, kannst du auch für andere Dinge verwenden, nicht nur Whisky. Jede Person hat einen anderen Geschmackssinn und ein anderes Geschmacksempfinden. So schmeckt niemand etwas genau gleich wie eine andere Person. Also mach es dir mit einem Dram gemütlich und rieche daran. Was erkennst du in deinem Glas?
Körperliche Voraussetzungen
Wichtig für den Geschmack ist, dass du über eine Zunge und Nase verfügst. Einmal bitte kurz in die Gesichtsmitte fassen und prüfen, ob die Nase noch da ist. Dann mit der Zunge schnalzen. Beide Tests positiv? Dann weiter im Text.
Mit der Zunge können wir nur fünf Geschmacksrichtungen erkennen. Süß, sauer, salzig, bitter und umami. Wenn ich dir jetzt sage, dass umami aus dem Japanischen kommt und herzhaft, würzig oder fleischig bedeutet, ist der Rest selbsterklärend.
So haben wir einen eingebauten Kontrollmechanismus, ob das, was wir gerade im Mund haben, für uns schädlich sein könnte. Falls die Zunge etwas als schädlich erkennt, können wir es noch immer ausspucken. Bei mir oft geschehen mit Nüssen, die zwar noch gut aussehen, aber ranzig schmecken.
Die Nase ist scheinbar komplizierter als die Zunge, da bis heute niemand genau sagen kann, wie viele unterschiedliche Gerüche wir wahrnehmen können. Der Geruchssinn ist allerdings der einzige Sinn, der einen direkten Zugang zu Erinnerungen und Emotionen im Gehirn hat. Er wird sogar schon im Mutterleib geprägt. Du hast wahrscheinlich auch schon die Erfahrung gemacht, dass du irgendwo einen Geruch wahrnimmst und dir plötzlich Bilder in Erinnerung kommen, an die du jahrelang nicht mehr gedacht hast. Oder du riechst etwas und bist auf einmal besser gelaunt.
Die Nase ist also für unsere Verkostungen und unser Geschmacksempfinden wichtiger als die Zunge.
Ein weiterer Faktor, der unser Geschmacksempfinden beeinflusst, sind die Gene, die Kultur und unsere Kindheit. Ungefähr 50 Gene sind für unseren Geschmack verantwortlich. Aber diese sind bei jedem unterschiedlich aktiviert oder deaktiviert, weshalb sich extrem viele Geschmackskombinationen ergeben und jeder Mensch Geschmack und Geruch individuell erlebt.
Der Kulturkreis bestimmt wiederum was wir wie empfinden. Wenn in manchen Gegenden vorherrschend bittere Pflanzen gegessen werden mussten, so wurden die Rezeptoren für Bitterkeit abgestellt oder reduziert.
In der Kindheit prägt sich dann der Geschmackssinn weiter. Kinder müssen langsam verschiedene Geschmäcker kennenlernen und was es in der Kindheit zu Essen gibt, prägt fürs Leben.
Geschmack lernen
Wie in der Kindheit, ist es bei Whisky so, dass du dich langsam an die Geschmacksnoten herantasten musst. Du lernst das zu deuten, was deine Nase und Zunge dir mitteilen. Dein Whisky kann zwischen 300 und 400 Aromen enthalten. Das ist ein Zusammenspiel, dass jeden überfordert. Aber du kannst versuchen die Grundgeschmäcker herauszufinden. Dazu kannst du auch zwei verschiedene Whiskys nebeneinander probieren. So erkennst du am Ehesten verschiedene Profile. Auch solltest du zuerst am Whisky riechen, bevor du ihn trinkst.
Lass den Eindruck der Nase auf dich wirken. Wie wir wissen bestimmt die eher, ob wir etwas mögen, als unsere Zunge. Du kannst deinen Whisky auch in der Whiskybase suchen und die Geschmacksbeschreibungen durchlesen, um zu erfahren, was auf dich zukommen könnte. So hast du schon Anhaltspunkte nach was deine Nase suchen kann. Es gibt auch von verschiedenen Herstellern und Händlern das sogenannte Tasting Wheel. Auf diesem sind in der Mitte die Grundgeschmäcker, die sich nach Außen immer weiter verwurzeln. So erkennst du gut, was die Grundnoten sind und wohin diese führen können. Du kannst bei einer Suchmaschine deiner Wahl einfach Tasting Wheel eingeben.
Du solltest erst herausfinden, wonach der Whisky am stärksten riecht. Dann kannst du dich darauf konzentrieren und diesen Geruch weiter erkundigen. So verzweigt sich der eine Geruch immer mehr, bis du an der Wurzel angelangt bist. Von da aus kannst du wieder zurück und erschnüffeln, was die zweite Hauptnote des Whiskys ist und wieder tiefer gehen. Und so weiter. Das braucht natürlich Übung und dauert seine Zeit, also schiebe keinen Frust, wenn Kenner etwas behaupten, dass du überhaupt nicht riechst. Es kann ja auch sein, dass du einfach einen anderen Geschmackssinn hast. Vieles was so manch anerkannter Whisky Taster riecht, schiebe ich auch in das Reich der Fabeln, weil es für mich nicht erkennbar ist. Aber die Taster haben eben einen anderen Hintergrund als ich.
Analyse des Glasinhalts
Zu Beginn ist es interessant, ob der Whisky rauchig ist, oder nicht. Rauchig ist für viele Einsteiger schon ein Ausschlusskriterium. Also konzentrieren wir uns nun auf einen nicht rauchigen Whisky.
Du hältst das Glas in der Hand. Riecht der Whisky eher fruchtig oder hat er blumige Aromen?
Bei fruchtigen Aromen kannst du tiefer gehen. Sind das eher Beeren wie Himbeeren oder schwarze Johannisbeeren, Zitrusnoten wie Zitrone, Mandarine oder Apfelsine, oder tropische Früchte wie Banane, Ananas oder Mango?
Bei blumigen Aromen geht es auch noch tiefer. Hat der Whisky eher Lavendelnoten, wie manche Bowmore aus den 1980ern in übertriebenem Maße haben, oder doch eher Rosen oder Heidenoten? Oder kommen gar nussige Aromen ins Spiel?
Mit der Zeit wirst du immer besser in der Analyse und du erkennst sich wiederholende Geschmacksrichtungen, denn die Grundrichtungen sind von unserem Geschmackssinn festgelegt. Die Verästelungen arbeiten sich heraus. So kannst auch du irgendwann ein Glas Whisky in der Hand halten und bist in Gedanken beim Grillen am Strand, mit einer leichten Brise vom Meer kommend, während du als Vorspeise Obstsalat hast.
Da meine Gene für rauchige Aromen scheinbar hauptsächlich ausgeschaltet sind, erkenne ich Rauchnoten im Whisky oft erst, wenn andere schon verzweifelt den Feuermelder suchen. Bei Tastings kommt es oft vor, dass ich auf Anhieb Geschmacksnoten erkenne, die für andere noch hinter dem Rauch verborgen sind. Dafür ist mein Säureempfinden wohl stärker ausgeprägt und ich merke das kleinste Bisschen an Säure, was ich weniger prickelnd finde.
Als Anmerkung, die ich spannend finde. Jedes unserer Nasenlöcher riecht auch unterschiedlich. Halte ein Glas erst an das eine Nasenloch, dann an das Andere und überlege was du an verschiedenen Aromen wahrgenommen hast.
Fazit
Unser Geschmacksempfinden wird hauptsächlich von unserer Nase und den Genen beeinflusst. Unsere Kindheit und Kultur bestimmen was wir mögen und was nicht. Dennoch kannst du lernen zu analysieren, was du gerade im Glas hast. Arbeite dich langsam von den Hauptnoten zu den weiteren zugrundeliegenden Noten durch und verliere nicht die Geduld. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Du kannst auch versuchen zu erkennen, was für Zutaten für dein Essen verwendet wurden, oder nach was der Wein in deiner Hand riecht. Bei der Analyse des Geschmacks gibt es keine Grenzen. Oft erkennt man etwas, es fehlen nur die Begriffe, einen Geschmack zu benennen. Das geht dann mit Übung und mit Hilfe von einem Tasting Wheel.
Wir hatten auf einem geschäftlichen Ausflug ein Kochevent. Dort wurden uns die Augen verbunden und wir hatten die Aufgabe die Bestandteile einer uns vorgesetzten Suppe zu erkennen. Leider war die Suppe mit Sahne und deshalb Lactose, weshalb ich nicht mitmachen konnte. Ich bin mir sicher, ich hätte diese Aufgabe durch meine Erfahrungen beim Whisky gewonnen. Es gab aber als Belohnung nur Sekt, weshalb ich nicht so böse darüber bin.
2 Antworten
Ich mag deinen Schreibstil. Selbst als nicht-Trinkerin hab ich Lust bekommen zu experimentieren und mal die Nase 4ief ins Glas zu stecken. Hast mich echt motiviert, das mal auszuprobieren. Da ich einen sehr guten Geruchssinn hab, werde ich das ab jetzt noch mehr bei kulinarischen Genüssen schnüffeln. Vielen Dank für die Inspiration. Auch spannend mit den 2 Nasenlöchern.
Danke Sille, genau das versuche ich zu erreichen. Auch nicht Trinker für das Thema oder die Welt drum herum zu interessieren.
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